Wilde Sorte
Da war sie wieder, die berühmte Frage, die ich schon so oft gehört habe: "Ach, der ist aber hübsch. Wie nennt sich denn die Sorte?" Wohl wissend, mich dennoch stur stellend, bezog ich die Frage auf den Apfel, an dem ich gerade kaute, und antwortete: "Braeburn".
"Ach, da gibt es auch Hunde, die so heißen? Ich dachte das wären Äpfel."
"Stimmt ja auch. Wenn Sie die Rasse meines Hundes meinen: Das ist ein Weimaraner."
"Der ist ja bildschööön. Wo kriegt man denn so einen?" Und dann an ihren Gatten gerichtet: "Nich, Klausi, der würde doch gut zu uns passen!"
Klausi nickt zustimmend. Nun gucken mich beide fragend an. Sie warten offenbar gespannt auf die Quellenangabe. Stattdessen lautet meine Antwort: "Vielleicht erzähle ich ihnen erstmal, was so ein Hund braucht, bevor ich ihnen sage, wo sie eventuell einen bekommen könnten."
"Ach, die brauchen wohl viel Bewegung, ja? Aber der ist ja auch schön schlank, nich, Klausi."
"Nun ja, drei bis vier Stunden täglich an der frischen Luft sollten sie ihm schon widmen können."
"Ach, aber wenn man mit ihm Fahrrad fährt, dann hat er doch bestimmt genug Bewegung."
"Bewegung sicherlich. Aber es handelt sich um einen Jagdhund. Der braucht Aufgaben. Er muss gefordert werden."
Bei Klausi und Mausi entgleisen langsam aber sicher die Gesichtszüge. "Ja, und wenn man das nicht macht, was passiert dann?"
"Dann kann es passieren, dass er sehr unangenehm wird. Dann ist sein hübsches Erscheinungsbild nur noch trügerische Fassade."
Schweigen.
"Es kann dann gut passieren, dass er sich selbst eine Aufgabe sucht. Und die ist dann nicht zwangsläufig zur Freude des Besitzers."
In Gespräche dieser Art werde ich nun schon seit vielen Jahren verwickelt und staune immer wieder, wie arglos viele Menschen mit der Anschaffung eines Hundes - einem Wesen, das durchaus eine Lebenserwartung von 10 bis 15 Jahren erreicht - umgehen. Mit der Anschaffung eines Autos geht jeder selbstverständlich viel sorgfältiger um. Nachdem das Augenmerk auf eine bestimmte Marke gerichtet wurde, setzt man sich sehr schnell mit Qualität, Anforderungen und Folgekosten auseinander. Und so ein blechverpackter Genosse, den man dann für die nächsten drei, vier Jahre seinen Stolz nennen will, wird auf Herz und Nieren geprüft, bevor der Kaufvertrag unterzeichnet wird.
Das Haustier wird jedoch meist unter vollkommen falscher Massgabe angeschafft. Nicht selten muss ein Hund als Prestigeobjekt und Vorzeige-Accessoir herhalten. Nach den Knuddelmonaten, in denen er/sie so niedlich mit anderen herumtollt, kommt dann das böse Erwachen, wenn plötzlich deutlich wird, dass Hund sich nicht so leicht lenken und einparken lässt, wie die Limousine. Wie im Falle unseres Weimaraners, landen sie dann auf der Website einer Vermittlungsstelle und müssen abgegeben werden. Andere Tiere freilich, landen im Tierheim oder werden komfortabel an der Autobahnraststätte zurück gelassen.
Darum kann ich nur immer wieder all diejenigen bitten, die sich für die Anschaffung eines Tieres interessieren: Lesen Sie doch bitte zunächst einmal in entsprechenden Medien nach, welches Tier für Sie geeignet ist. Fragen kann man getrost auch immer im Tierheim, beim Tierarzt oder schlicht bei Menschen, die schon ein Tier besitzen.