Was für ein Hundeleben in Berlin
War der Hund im Wasser?", fragte der Mann, während sein Jack Russell unseren eindeutig nassen Labrador stellte. "Klar", antwortete ich. "Labbis lieben es." Mehr Gespräch war nicht, der Mann musterte mich, die Hunde musterten sich, unser Hund gab gleich nach. Er ist noch jung. Und kleinere Artgenossen sind ihm offensichtlich unheimlich. Mir ging es irgendwie ähnlich mit meinem Artgenossen, auch wenn ich schon älter bin und der Mann größer war. Während ich weiterschlenderte fiel mir ein, was er wortlos gemeint haben könnte.
Wir wohnen in Berlin, nahe dem Schlachtensee. Da darf man angeblich nicht mehr mit dem Hund hin, weder ins Wasser noch spazieren gehen. Ich hatte davon gehört, es aber ausgeblendet. Jahrzehntelang hatten die Kinder mit den Familienhunden fröhliche Zeiten im See verbracht, seit die Kinder erwachsen sind und George gestorben ist, haben wir keinen Berliner Hund mehr, Finley gehört unserer Tochter und ihrem Mann und lebt in Hamburg. Doch derzeit hüte ich ihn. Die Diskussion darüber, dass ausgerechnet die grüne Bezirksstadträtin von Zehlendorf ein Spaziergehverbot selbst für angeleinte Vierbeiner aussprechen wollte, hatte ich als eine typische Berliner Posse abgetan. Denn wir leben in einem "naturbelassenen Bezirk". Das hatte mir ein Sachbearbeiter beim Gartenbauamt lang und breit erklärt, als ich mal anrief, um zu fragen, ob die offensichtliche Verwahrlosung der Grünflächen und Wegesränder, das gleichgültige Stehenlassen von modernden Baumstümpfen und die Stolperfallen durch aufplatzende Pflasterung nicht vielleicht doch mal in Angriff genommen werden könnten. Wenn wir also in einer so naturverbundenen Gegend wohnen, würde man ja meinen, dass Hunde dort akzeptiert seien. (Dass man sie selbstverständlich erzieht und führt, muss an dieser Stelle nicht extra betont werden.)
Ich nahm also an diesem schönen frühen Sommermorgen den kleinen Weg runter zum See, der Hund schwamm ein paar Meter, "rettete" einen sehr langen, morschen Ast ans Ufer, zwei Joggerinnen kamen vorbeigelaufen, der kernige ältere Herr im Bademantel, an den ich mich von früher zu erinnern meinte, steuerte – "Guten Morgen!" – auf eine schmale Stelle zu, wo schon ein anderer Bademantel am Baum hing und man leicht ins Wasser steigen kann. Idylle pur also. Hund glücklich, Menschen glücklich. Ich schaute mich noch mal um, kein Verbotsschild weit und breit – dachte ich – und lernte kurz darauf, dass die kindlichen Zeichnungen mit durchgestrichenem Hund auf einem Baumstumpf nicht etwa Überbleibsel einer Schnitzeljagd sind, sondern offizielles Verbotsschild sein sollen, extra angefertigt und regelmäßig nachgemalt von Erwachsenen. Denn als wir schon wieder zurück auf dem Bürgersteig waren, kam uns ein Radfahrer in Begleitung eines schwarzen Lockenknäuels entgegen.
Er bremste und sagte: "Der Hund war baden?" Ich wollte schon aufjaulen, als er weitersprach. Das sei völlig okay. Hunde am Schlachtensee seien nämlich gar nicht verboten. Die Bezirksstadträtin wolle das zwar unbedingt, aber es gäbe keinen rechtskräftigen Beschluss. Er sei Anwalt und versuche schon länger vergebens beim Amt ein entsprechendes Schriftstück zu bekommen, damit er beim Verwaltungsgericht klagen kann. Doch durch die Diskussion seien alle Hundebesitzer schon derart verunsichert, dass sie nun nicht nur von Hundehassern angeblafft werden, sondern sie sich schon untereinander am See anpöbeln. Man könnte lachen über die Amtsposse – wenn es nicht so traurig wäre.