Vom Alltag einer Sehbehinderten in Zehlendorf
Weil ich gesetzlich blind bin, wie man sagt, sieht für mich mein Blindenführhund Poseidon. Er begleitet mich in meinem Alltag in Lichterfelde-West seit etwa neun Monaten, und langsam werden wir ein Team. Er ist noch jung und verspielt, und manchmal werden wir gewiss belächelt von Passanten, wenn er wieder einmal seinen Rappel bekommt. Zwar ist er ein Tier und ein treuer Begleiter, aber nüchtern betrachtet eben ein medizinisches Hilfsmittel. Meine Krankenkasse hat Poseidon bezahlt. Er kostete mehr als 26 000 Euro und jetzt habe ich die Verantwortung für ihn.
Wenn er neben mir läuft, erledigt er einen Job, der ihn stresst – vor allem in dieser großen Stadt: der Verkehr, die vielen Menschen, die vielen Hindernisse auf den Wegen, aber vor allem die Ablenkungen. Poseidon wird oft angesprochen und das stört ihn, denn er muss sich auf meine Kommandos konzentrieren. Und nicht zu vergessen, manche Hundehalter, die leider nicht dafür sorgen können, dass ihre Hunde uns in Ruhe lassen. Das ist ein wirklich harter Job für Poseidon, denn er ist auch nur ein Hund, kein Wunderhund und irgendwann verliert auch er seine Ruhe, Gelassenheit und Nerven!
Auch der Hund braucht mal eine Auszeit
Ich muss Jahr für Jahr bei meiner Krankenkasse ein Formular unterschreiben, dass mein Hund gesund ist und ich ihn artgerecht halte. Gerade bei so einem jungen und temperamentvollen Hund ist artgerechte Haltung wichtig. Und das heißt eben auch, dass er neben seinem „Job“ den Ausgleich bekommt, den er braucht. In seiner „Freizeit“ will er laufen und mit Artgenossen um die Wette rennen.
Bisher sind wir dreimal pro Woche von meiner Wohnung in Lichterfelde-West zu den Seen nach Zehlendorf gefahren. Einmal um den Schlachtensee laufen oder an der Krummen Lanke sitzend die Seele baumeln lassen. Doch seit dieses kuriose Hundeverbot vom Bezirksamt ausgesprochen wurde, habe ich ein großes Problem.
„Poseidon“ darf mehr als seine Artgenossen
Mein Hund hat gewisse Privilegien, sozusagen Sonderrechte laut dem Berliner Hundegesetz: Er darf zum Beispiel in Parkanlagen und auf Liegewiesen ohne Leine laufen, ebenso in Schwimmbädern, an Badeseen und in Gartenkolonien. Kurzum: Trotz Hundeverbot könnte ich am Schlachtensee weiter mit ihm frei laufen. Das habe ich übrigens bisher auch schon gemacht, obwohl auf der S-Bahnseite Leinenpflicht war. Ich wurde nie angepöbelt oder gar vom Ordnungsamt angesprochen.
„Weg mit dem Hundegesocks“
Aber nun ist alles anders. Ich werde beschimpft, regelrecht verflucht und habe Angst um meinem teuren Hund. Manche Radfahrer sind penetrant, fahren direkt auf uns zu, viele Spaziergänger pöbeln einfach nur. Meine Erklärungen möchten sie nicht hören. „Weg mit dem Hundegesocks“, höre ich oft und merke dann, wie sich diese negative Stimmung auf meinen Hund überträgt und er immer trauriger wird. Er arbeitet dann anders, dreht auf, braucht eben diesen Ausgleich.
Überall Algen im Grunewaldsee
Gerade in den letzten Tagen, an denen nun auch der Grunewaldsee ins Gespräch kommt ist und Politiker dort womöglich ebenfalls den Hundeauslauf einschränken wollen, bin ich dort einmal hingefahren. Pöbelnde Menschen waren da weniger vertreten.
Jedoch habe ich beim ersten Gang ins Wasser, als ich losschwimmen wollte, einen riesigen Schreck bekommen und geriet in Panik. Denn der ganze Grunewaldsee ist voller Algen und das Schwimmen für mich und meinen Hund sehr gefährlich. Ich unterstelle hier dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und dem zuständigen Forstamt die Absicht, dass sie den See nicht wie sonst bereinigt haben.
Ich möchte niemanden stören
Ich bin immer für Kompromisse. Ich muss nicht mit meinem Hund im Sommer auf einer Liegewiese toben, wenn dort kleine Kinder und ihre Eltern picknicken. Nein, das brauche ich nicht. Ich muss auch nicht badende Menschen mit meinem Hund am See in der Mittagszeit stören. Doch habe auch ich als behinderter Mensch das Recht, wie alle anderen zu leben und das Leben im Sommer genießen zu dürfen.
Die Politik in unserem Bezirk bleibt stur und hart. Ich frage mich, warum? So wird es nie ein Miteinander, sondern immer nur ein Gegeneinander geben, und auf der Strecke bleiben die Minderheiten. Warum kann man sich in dieser Angelegenheit nicht an einen Tisch setzen und miteinander sprechen?